Teil 4 - Tutanchamuns GrabbeigabenDer junge König, der so früh starb, war auf seiner Reise ins Jenseits mit den wunderbarsten Dingen ausgestattet. Alles, was man ihm mitgegeben hatte, eröffnet uns einen Einblick in eine Zeit, in der die Menschen durchdrungen waren vom Geist ihrer Religion und der Erhabenheit und Unberechenbarkeit der Natur, in deren Einklang sie lebten. Allerdings war dies meist auch ein hartes Dasein, das seinen Zauber höchstens für die oberste Schicht der Gesellschaft entfaltete. Tutanchamun steht wie kein Zweiter für diesen Zauber. Denn das Grab des geschichtlich eigentlich unbedeutenden Pharao ist das einzige, das von der Antike bis in unsere Tage relativ unversehrt blieb. Nicht nur seine prächtigen Schätze jedoch, sondern vor allem auch die Dinge des Alltags und die persönliche Habe des jungen Herrschers vermögen es, uns das alte Ägypten zu erschließen. Dazu gehören unzählige Truhen und Möbelstücke, bestickte Leinengewänder, Erbstücke enger Verwandter, Alabastervasen und -lampen, Musikinstrumente, Bögen und Dolche, ja selbst Spielzeug, mit dem der kleine Prinz Tutanchaton in seiner Kindheit wohl selbst gespielt hatte. Artefakte, die man bisher nur von Wandmalereien kannte, haben die Jahrtausende überdauert und erzählen uns Geschichten über die Antike, wie es sonst nie vorstellbar gewesen wäre. Faszinierend und berührend zugleich sind sie wie eine Zeitreise in eine längst vergangene Epoche der Menschheit. In das Leben des Jungen, der durch diese Gegenstände zu uns spricht, und der darum noch heute unvergessen ist. |
4.1 - Die Throne und Stühle des KönigsIm alten Ägypten waren Stühle oder Sessel nicht so alltäglich anzutreffen, wie es bei uns heute der Fall ist. Man saß vielmehr auf niedrigen Hockern oder auf Sitzkissen. Vor allem aufwändig verzierte Stühle waren ein Symbol von Authorität und Prestige, weswegen sie überwiegend in wohlhabenden Haushalten und Palästen zu finden waren. Auch Tutanchamun hatte man selbstverständlich nicht ohne Sitzmöbel auf die Reise ins Jenseits geschickt. Insgesamt 6 Stühle standen Tutanchamun im Leben nach dem Tod zur Auswahl, die meisten von ihnen prächtige Zeichen seiner Legitimation als König. Auf den zugehörigen Fußstützen lagen die Feinde des Landes unter den Füßen des Herrschers. Auch 12 Hocker in kunstvollen Ausführungen dienten als Sitzgelegenheit im Alltag. Die mit bunten Perlen bestickten Kissen aus Binsengeflecht, von denen man ebenfalls mehrere im Grab entdeckte, benutzte man teilweise als sanfte Polsterung. |
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- Der "Prinzenthron" -Dieser Stuhl aus Ebenholz mit Einlegearbeiten aus Elfenbein und Gold ist mit etwa 70 cm Höhe deutlich zu klein für einen Erwachsenen, und wurde somit wohl für Tutanchamun im Kindesalter angefertigt. Seine Form ähnelt dem großen goldenen Thronsessel. Der Sitz ist gebogen, die Beine enden in Löwentatzen mit Krallen aus Elfenbein und stehen auf ringförmigen Säulen. Die Querstreben zwischen den Beinen besitzen stilisierte Papyrusdolden aus Elfenbein. Die Darstellungen auf den mit Goldblech beschlagenen Armlehnen zeigen Wüstenpflanzen und Steinböcke. Vergoldete Nieten aus Bronze halten die einzelnen Teile zusammen. Zu Beginn seines Lebens, als Tutanchamun noch Tutanchaton hieß, lebte er - als Sohn des amtierenden Pharaos Echnaton - vermutlich am königlichen Hof in Achet-Aton (heute Tell-el-Amarna). Vielleicht war der Stuhl ein Geschenk an den kleinen Prinzen, um als potentieller Thronerbe ein standesgemäßes Sitzmöbel sein Eigen nennen zu können. |
Abb.: Pataki Márta, unter Creative-Commons-Lizenz
Abb.: Jon Bodsworth, copyright-frei
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- Der "goldene Thron" -Tutanchamuns Thron ist weltberühmt. Er ist einer der ganz wenigen Thronsessel gekrönter Häupter aus alter Zeit, die noch existieren. Bei seinem Anblick kann man sich vage Vorstellungen davon machen, welch verschwenderische Pracht in den Palästen der altägyptischen Pharaonen geherrscht haben muss - und wie viele faszinierende Kunstwerke im Lauf der Geschichte wohl für immer verloren gegangen sind. Der Thron besteht aus vergoldetem Holz und Einlegearbeiten mit Teilen aus Goldblech, Silber, Halbedelsteinen, Fayence und farbigem Glas. Zwei vorstehende Löwenköpfe an der Vorderseite gewähren dem Sitzenden ihren Schutz, während der gesamte Thron auf starken Löwenbeinen ruht, deren Pranken auf ringförmigen Säulen stehen. Zwischen den Beinen war einst ein filigranes Muster aus senkrechten Stützstreben angebracht. Ursprünglich bildeten diese das "sema-taui", Symbol der Vereinigung Ober- und Unterägyptens. Leider ist nur das Mittelteil noch erhalten. Vermutlich wurden die anderen Elemente ein Opfer der antiken Grabräuber. Die Armlehnen formen zwei geflügelte Kobras , deren Doppelkrone die weiße Krone des Südens (Oberägypten) mit der roten Krone des Nordens (Unterägypten) vereint. Zwischen ihren Flügeln erkennt man Binse und Biene, die ebenfalls für Ober- und Unterägypten stehen. Sie kennzeichnen den Thronnamen des Königs, der in der Namenskartusche an der Spitze der Schlangenflügel ruht. Mit Titel lautet der Name also: "König von Oberägypten und Unterägypten, Herr der Gestalten des Re" . Zwischen Arm- und Rückenlehne sitzt jeweils eine weitere kleine Kobra, auf der rechten Seite mit der weißen Krone Oberägyptens aus Silber, links mit der roten Krone Unterägyptens aus buntem Glas. Die Vorderseite der Rückenlehne zeigt König und Königin unter einem mit floralen Mustern und Uräusschlangen geschmückten Pavillon, der nach oben hin geöffnet ist. Dort schwebt Aton, die personifizierte Sonnenscheibe - alleiniger Gott des Ketzerkönigs Echnaton, Tutanchamuns Vater. Die Sonnenstrahlen Atons berühren mit ihren Händen das Herrscherpaar; einige von ihnen tragen "Anch"-Zeichen und bieten ihnen somit die lebensspendende Wirkung des Sonnenlichts dar. Eine Darstellung, die sich sonst ausschließlich auf Bildnissen von Echnaton und Nofretete während der "Amarna"-Zeit findet. Tutanchamun sitzt auf einem Stuhl dessen Form dem Thron ähnelt, seine Füße ruhen auf einer Fußstütze. Anchesenamun trägt ein mit Parfumöl gefülltes Gefäß und salbt ihm damit zärtlich die Schulter. Auch diese intime, erotisierende Darstellung trägt eindeutig die Züge der heute so genannten "Amarna-Kunst". Die durchscheinenden, in Falten gelegten Gewänder bestehen aus Silber, das in Altägypten weit seltener vorkam als Gold. Der König trägt darüber hinaus einen bunt gemusterten Lendenschurz, außerdem verzieren lange Bänder die fließenden Stoffe und flattern an Kopf und Nacken des Paares. Breite Halskragen bedecken Hals und Schultern, ähnliche Stücke befinden sich auch unter den Grabbeigaben. Tutanchamun trägt eine traditionelle kurze Perücke, die von einem "Sesched-Band" gehalten wird, in dessen Art man ebenfalls eines im Grabschatz entdeckte. Anchesenamuns Perücke besitzt die nubische Form und wurde offenbar nachträglich verkürzt - man sieht noch immer Teile sowie den Umriss der vorherigen Form. Beide Perücken wurden mit leuchtend blauer Fayence eingelegt. Der darauf sitzende, ausladende Kopfschmuck des Königs stellt die "Hemhemet-Krone" dar, eine besonders ausgeschmückte Form der "Atef"-Krone. Sie besteht aus drei kleinen Atef-Kronen, zwei Federn und sechs Sonnenscheiben (von denen hier eine fehlt) auf zwei waagerechten Widderhörnern (hier blau), an denen sich Uräusschlangen befinden. Die schlichter gehaltene Krone der Königin formen eine Reihe kleiner Uräen, ein Kuhgehörn mit zwei Federn und eine große Sonnenscheibe. Hinter Anchesenamun erkennt man auf einem Ständer einen weiteren Halskragen, allerdings aufrecht stehend und deshalb perspektivisch falsch - was bei altägyptischen Abbildungen aber nicht ungewöhnlich ist, denn es kam mehr auf die deutliche und eindrucksvolle Präsentation an, als auf eine realistische Darstellung. Der Thron stand vermutlich im Empfangssaal des königlichen Palastes. Der junge, zartgliedrige Tutanchamun ließ sich darauf nieder, wenn er Audienzen gab und Abgesandte aus anderen Ländern empfing. Seine Füße ruhten dabei wohl auf der zugehörigen Fußstütze, die man fand. Sie zeigt auf ihrer Oberseite 3 nubische und 3 asiatische Gefangene mit Bogen. Der Hieroglyphentext bezeichnet sie als die Stammesfürsten "aller fremden Länder, die unter seinen Füßen sind". Angefertigt wurde der Thronsessel höchstwahrscheinlich zur Krönung des Kindkönigs, oder sogar schon davor. Nicht nur, dass viele Merkmale deutlich auf die Amarna-Zeit hinweisen, die sein Vater Echnaton einläutete, es finden sich sogar noch die ursprünglichen Namen des Königspaares, "Tut-Anch-Aton" und "Anches-En-Pa-Aton", auf der Armlehne bzw. auf der Hinterseite der Rückenlehne des Throns. Nur die Inschriften auf der Vorderseite wurden durch die "Amun"-Form der Namen ersetzt. Wahrscheinlich offenbart der Thron den Versuch Tutanchamuns, eine Brücke zwischen alter und neuer Religion zu schlagen, und die ersten Schritte zu Versöhnung und Wiederherstellung der Ordnung im Land zu gehen. |
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- "Ekklesiastischer Thron" oder "Zeremonialthron" -Dieser reich verzierte zweite Thron, gefunden in der Seitenkammer, ist das eigentümlichste und markanteste der im Grab entdeckten Sitzmöbel. Er besteht aus Ebenholz, das teilweise mit Goldfolie überzogen und mit eingelegtem Elfenbein, Glas, Fayence und Schmucksteinen verziert wurde. Sitzfläche und Beine wurden in der Art eines Klappstuhls bzw. Klapphockers gefertigt, einer damals sehr beliebten Form von Stühlen, sie sind aber nicht wirklich zusammenklappbar. Die Rückenlehne wurde einzeln daran montiert. Den stark gewölbten und ausladenden Sitz ziert auf der Oberseite ein Muster aus weißen Leopardenfellflecken sowie ein rechteckiges Element mit weiteren imitierten Tierfellmustern. Die "sema-taui"-Ornamente zwischen den Stuhlbeinen repräsentierten - wie beim goldenen Thron - die Vereinigung der beiden Länder Ober- und Unterägyptens. Ein kleiner Teil davon ist hier noch erhalten, so dass man das ursprüngliche Aussehen erahnen kann, der Rest aber wurde ebenfalls von Grabräubern demontiert. Die überkreuzten Beine enden in kunstvollen Entenköpfen, die in den Ständer beißen, sogar die Zungen wurden rot eingelegt. Die obere Kante der Rückenlehne ziert ein Fries aus Uräusschlangen, in deren Mitte die Aton-Sonnenscheibe steht, darunter die zugehörigen Namenskartuschen des Gottes Aton. Direkt unterhalb wacht mit ausgebreiteten Flügeln die Schutzgöttin der Pharaonen, Nechbet, in Gestalt eines Geiers über die Namenskartuschen des Königs rechts und links der Flügelspitzen. Der Eigenname des Pharaos lautet hier allerdings noch Tut-Anch-Aton. Dieser Name findet sich auch in den vertikalen Inschriften der Lehne, lediglich die beiden horizontalen Spalten geben den neuen Namen Tutanchamun wieder. Ein in der Nähe gefundenes Fußbänkchen wurde mit diesem Thron assoziiert, da es auf ähnliche Weise furniert und mit Einlagen versehen ist. Es zeigt neun schwarze und asiatische Gefangene, auch bekannt als die "Neun Bogen", die traditionellen Feinde Ägyptens. Die Inschrift lautet: "Alle Länder und Bergregionen und die großen Länder von Retjenu sind wie eines unter deinen Füßen" . "Retjenu" war die altägyptische Bezeichnung der Region des heutigen Palästinas und Syriens. Es erscheint als sicher, dass auch dieser königliche Stuhl bereits zu Beginn von Tutanchamuns Regierungszeit angefertigt wurde, da sich sein alter Name noch darauf befindet und nur an einzelnen Stellen bereits durch die Amun-Form ersetzt wurde; eine deutliche Ähnlichkeit zum goldenen Thron. Ob sein Platz vielleicht in einem anderen Raum des Palastes oder einem der Tempel zu Ehren der Götter war, bleibt jedoch der jeweils eigenen Fantasie überlassen. |
Abb.: Jon Bodsworth, copyright-frei
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- Stuhl der "Ewigkeit" -Dieser edle Stuhl aus dunklem Holz mit dezenten goldenen Verzierungen wirkt im Vergleich zu den anderen Exemplaren eher schlicht. Gerade deshalb aber zeugt er von einer ehrwürdigen Imposanz, die kein üppiges mit Gold und Farben oder Symbolen und Mustern überladenes Beiwerk benötigt, um auf den Betrachter zu wirken. An der Spitze des Stuhls schimmert die geflügelte Sonnenscheibe flankiert von Uräusschlangen, ein Symbol des Falkengottes Horus und generelles Zeichen von Göttlichkeit, Königtum und Macht. Im durchbrochenen Schnitzwerk der Lehne kniet Heh, Gott der Endlosigkeit und Ewigkeit auf dem Hieroglyphenzeichen für "Gold", einem stilisierten Halskragen. An seinem rechten Arm hängt das "Anch"-Zeichen, Symbol des Lebens. In den Händen hält er jeweils eine lange Palmrispe, die eingekerbt wurden und so seit Urzeiten die Zeit messen. Die gesamte Symbolik steht für den Wunsch nach ewigem Leben und Millionen Herrschaftsjahren, die dem König beschieden sein mögen. Zur Verstärkung dieser Wirkung sitzt am unteren Ende der Rispen auch noch jeweils eine Kaulquappe, Zeichen für "100.000", auf dem "Schen-Ring", Symbol für die Ewigkeit. Die kleinen Rechtecke - zu beiden Seiten des Kopfs des Gottes - nennen Eigen- und Thronname, "Tut-Anch-Amun" und "Neb-Cheperu-Re". Die großen Rechtecke hinter den Armen stellen Palastfassaden mit anschließendem Hof dar und bilden den Horusnamen des Königs, "Ka-Nechet-Tut-Mesut" ("Starker Stier, vollendet an Wiedergeburten" oder "Der starke Stier, vollkommen von Geburt"). Die beiden zugehörigen Horusfalken tragen die Doppelkrone Ober- und Unterägyptens. Weitere Inschriften erzählen von der göttlichen Herkunft Tutanchamuns. Jeder Pharao wurde als Sohn der Himmelsgottheiten verehrt, und mit seiner Krönung wurde ihm das Amt des "göttlichen Horus" übertragen. Dieser Vorgang wiederum manifestierte sich im Horusnamen. Zwischen den Beinen war - wie bei den anderen genannten Stühlen - das vergoldete Gitterwerk der Vereinigung Ober- und Unterägyptens angebracht, es fiel jedoch ebenfalls den antiken Grabräubern zum Opfer. Die mit Krallen bewehrten Löwentatzen spenden auch hier dem Sitzenden ihre Kraft. |
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- Zugehöriger hölzerner Fußschemel -Direkt neben dem Stuhl der Ewigkeit wurde dieser Fußschemel gefunden. Die Farbe des Holzes und sein Design passen sehr gut dazu, weshalb man davon ausgehen kann, dass der Schemel für den Stuhl angefertigt wurde. Die Abbildungen zeigen nur zwei seiner Seiten in perspektivisch unterschiedlichen Größen; in Wirklichkeit besitzt er eine ganz normale rechteckige Form. Die Schnitzereien auf der Oberseite zeigen gefesselte Feinde, links 4 Asiaten, rechts 4 Afrikaner, sowie jeweils 5 Bögen. Auch wenn die Gesamtanzahl der Bögen also 10 beträgt, handelt es sich hier erneut um die "Neun Bogen". Sie stehen für die Völker, die Ägypten feindlich gegenüber standen, bzw. vom König unterjocht und beherrscht wurden, ihm also "zu Füßen" lagen. Gewöhnlich wurden sie als Reihen von Bögen dargestellt, allerdings ist dabei die abgebildete Zahl nicht unbedingt 9, sondern variabel. Die Zahl "neun" bedeutet dreimal drei, was der "Vielzahl der Vielzahl" entspricht und damit auch generell die Gesamtheit aller Feinde Ägyptens bezeichnen kann. Welche Feinde genau gemeint waren, ist also von Epoche zu Epoche verschieden, im Allgemeinen gehörten aber die Vorderasiaten und die Nubier dazu. Auf der Frontseite, dem Sitzenden zugewandt, finden wir in der Mitte wieder das "sema-taui", das Emblem der Vereinigung Ober- und Unterägyptens mit seinen Ranken aus Lotus und Papyrus. Die Darstellung zeigt die Feinde des vereinigten Reichs wehrlos und unterworfen, seine Macht fesselt sie zu beiden Seiten. Die asiatischen Gefangenen werden links von Lotus umschlungen, die afrikanischen rechts von Papyrus. |
Abb.: Hartmut Hertrampf, Tutanchamun-Ausstellung Hamburg
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- Klapphocker mit Fellmuster -Dieser kleine, mit liebevollen Details ausgestattete Hocker besteht aus dunkel gestrichenem Holz mit hellen Einlagen aus Elfenbein. Klapphocker waren zu jener Zeit sehr beliebt, allerdings lässt sich auch dieses Stück nicht wirklich zusammenklappen, und ist somit also eine kunstvolle Imitation. Auch das restliche Design imitiert die weit verbreiteten Klapphocker, die oft einen Sitz aus Fell oder Leder besaßen. Das auffällige Fleckenmuster der gebogenen Sitzfläche stellt daher ein stilisiertes Tierfell dar, dessen Beinzipfel und Schwanz von den Seiten herabhängen. Die Mitte des Stuhls durchzieht eine weitere Einlage aus rötlichem Holz - sie deutet das Rückgrat des Tieres an. Die Beine sind - wie die des "ekklesiastischen Throns" - überkreuzt und besitzen Verzierungen aus Entenköpfen, die in die vergoldeten Querstäbe beißen. |
Abb.: Uwe Materne, Tutanchamun-Ausstellung Hamburg
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Abb.: "ddenisen", unter Creative-Commons-Lizenz
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- Horus-Stuhl -Mit seinen 73 cm Höhe stammt wohl auch dieser kleine, weiß gestrichene Holzstuhl aus der Kindheit Tutanchamuns. Die Mitte des oberen Rahmens der Lehne ziert die geflügelte Sonnenscheibe, die sich in goldener Ausführung auch am Stuhl der Ewigkeit (s. o.) findet. Die Leiste darunter sowie die aufrechten Leisten zu beiden Seiten tragen Hieroglypheninschriften. Den zentralen Teil der Lehne bildet das Schnitzwerk des Falkengottes Horus mit ausgebreiteten Schwingen. Thron- und Eigenname Tutanchamuns sitzen in Kartuschen auf den Flügeln, die Klauen des Vogels halten "Shen"-Ringe, Symbol für die Ewigkeit. Unterhalb der Flügel befindet sich das häufig wiederkehrende Symbolduo aus "Was"-Zeptern, Symbol für Herrschaft und Macht, und dem "Anch"-Henkelkreuz, Symbol für das Leben. Der Schwanz des Falken ruht auf der Hieroglyphe für "Gold", einem stilisierten Halskragen. Die Darstellung des "goldenen Horus" konnte einerseits die Göttlichkeit des Königs verdeutlichen, andererseits auch an den Sieg des Gottes Horus über den Gott Seth in der Schöpfungsgeschichte von Heliopolis erinnern. Da der Pharao als Verkörperung des Horus auf Erden galt, sollte er somit über seine Feinde triumphieren. Die Ausführung des Stuhls spiegelt auf schlichtere Weise viele Merkmale der anderen im Grab gefundenen Sitzmöbel. Die Sitzfläche ist konkav gebogen, das "sema-taui", Wahrzeichen der Vereinigung der beiden Landesteile Ägpytens, spannt sich als filigrane Schnitzerei zwischen den vier Stuhlbeinen, die in vergoldeten Löwentatzen enden. Auch wenn er weniger repräsentativ wirken mag als die anderen gefundenen Möbel dieser Art, ist seine Qualität dennoch eines Prinzen würdig, vor allem wenn man bedenkt, dass die meisten Ägypter keine Stühle besaßen, und diese somit ein Zeichen von Einfluss und Ansehen darstellten. |
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- Schemel mit Schnitzwerk -Mit seinem weiß bemalten Holz, dem geschwungenen Sitz und Löwenfüßen ist dieser Schemel ein sehr eleganter Vertreter seiner Art. Das durchbrochene, vergoldete Schnitzwerk zwischen den Beinen lässt ihn darüber hinaus mit voller Symbolkraft strahlen. Es ist erneut das "sema-taui", das Emblem der Reichseinigung Ägyptens, das hier zum ersten Mal in voller vergoldeter Pracht zu bewundern ist. Es besteht aus den Ranken von Lotus und Papyrus, den Symbolpflanzen Ober- und Unterägyptens, die die Hieroglyphe "sema" ("verbinden") umschlingen. Dieses Schriftzeichen, eine stilisierte Darstellung der Lunge und Luftröhre eines Tieres, bildet das Mittelteil. Der Umstand, dass dieses Symbol so oft auftaucht, zeigt, welch große Bedeutung damit verbunden war. Denn das Zusammenwachsen der ehemals getrennten Länder Ober- und Unterägypten erstreckte sich vermutlich über mehrere Jahrhunderte, die immer wieder von zwischenzeitlichen Trennungen gekennzeichnet waren. Durch die letzte Vereinigung der beiden Landesteile, etwa 200 Jahre vor Tutanchamuns Geburt, gingen die generationsübergreifenden Konflikte zwischen Süd und Nord sowie mit eingewanderten Fremdherrschern zu Ende. |
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